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Der Putsch

Ein Kommentar
Atilio A. Borón

Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. Der Staatsstreich in Honduras erinnert sehr stark an das, was im April 2002 in Venezuela geschehen ist, und was letztes Jahr in Bolivien durch die entschiedene Reaktion einiger Regierungen der Region abgewehrt werden konnte: Ein Präsident, der im Morgengrauen von vermummten Militärs gewaltsam entführt wird; ein falscher Rücktrittsbrief, der veröffentlicht wird, mit dem Ziel, die Bevölkerung zu täuschen und zu demobilisieren, und der von CNN sofort weltweit verbreitet wird, ohne den Wahrheitsgehalt der Nachricht zu prüfen; die Reaktion der Bevölkerung, die das Täuschungsmanöver durchschaut und auf die Straße geht, um die Panzer und die Militärfahrzeuge mit bloßen Händen aufzuhalten und die Rückkehr von Präsident Zelaya in das Amt einzufordern; das Stromabschalten, um die Ausstrahlungen von Fernsehen und Radio zu verhindern und die Verwirrung und Entmutigung der Menschen zu fördern. Es war wie damals in Venezuela, als Hugo Chávez noch nicht einmal richtig festgesetzt war und die Putschisten schon einen neuen Präsidenten einsetzten: Pedro Francisco Carmona, den die Volksphantasie später in „die Eintagsfliege“ umtaufte. In Honduras übernahm dessen Rolle Roberto Micheletti, der Präsident des Ein-Kammern-Kongresses des Landes, der am 28. Juni 2009 einen Eid als vorläufiger Amtsträger ablegte.

Was in Honduras passiert, verdeutlicht den Widerstand, der bei den traditionellen Machtstrukturen ausgelöst wird, wenn es Versuche einer tiefer gehenden Demokratisierung gibt. Es hat ausgereicht, dass Präsident Zelaya den Entschluss für eine Volksbefragung fasste, um über die zukünftige Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung abzustimmen. Diese consulta popular stützte sich auf die Unterschriften von über 400 000 BürgerInnen. Und schon setzten sich die unterschiedlichen staatlichen Instanzen in Bewegung, um dies zu verhindern: Das Parlament ordnete die Absetzung des Präsidenten an und ein Urteil des Obersten Gerichtshofes segnete den Staatsstreich ab. Es war keine geringere Instanz als dieses Gericht, das den Befehl zur Entführung und Ausweisung von Präsident Zelaya ausstellte, und damit wie schon die ganze Woche zuvor das aufrührerische Verhalten der Streitkräfte unterstützte.

Zelaya ist weder zurückgetreten, noch hat er in Costa Rica um Asyl gebeten. Er wurde entführt und ausgebürgert, die Bevölkerung ist auf die Straße gegangen, um seine Regierung zu verteidigen. Die Regierungen der Region haben den Putschversuch zurückgewiesen. In diesem Sinn hat sich auch Barack Obama geäußert. Er sagte, dass Zelaya „der einzige Präsident ist, den ich anerkenne, das will ich klar machen.“. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hat sich ähnlich ausgedrückt, und von Argentinien aus sagte Präsidentin Cristina Fernández, dass „wir ein Treffen von UNASUR anregen werden, obwohl Honduras nicht zu diesem Verbund gehört; des Weiteren werden wir von der OAS die Achtung der Institutionalität und der Wiedereinsetzung von Zelaya fordern, neben Garantien für sein Leben, die körperliche Unversehrtheit von ihm sowie seiner Familie. Das ist fundamental, ein Akt der Achtung der Demokratie und aller Staatsbürger.“

Die Brutalität der ganzen Operation trägt das untrügliche Markenzeichen der CIA und der School of Americas: Angefangen mit der Entführung des Präsidenten, der im Schlafanzug nach Costa Rica geschafft wurde, und der unziemlichen Entführung und dem Schlagen von drei Botschaftern befreundeter Länder, Nicaragua, Cuba und Venezuela. Sie hatten sich der Residenz der Außenministerin von Honduras, Patricia Rodas, genähert, um die Solidarität ihrer Länder auszudrücken; weiter mit dem imposanten Aufgebot der Militärs in den wichtigsten Städten des Landes, mit dem klaren Ziel, die Bevölkerung zu terrorisieren. Am späten Nachmittag wurde eine Ausgangssperre verhängt und es herrscht eine strenge Pressezensur. 

Erinnert sei daran, dass die Streitkräfte von Honduras in den 80er Jahren völlig umstrukturiert und „umerzogen“ wurden, als in Honduras niemand anderes als John Negroponte US-Botschafter war. Dessen „diplomatische“ Laufbahn führte ihn in so unterschiedliche Länder wie Vietnam, Honduras, Mexiko und Irak, um danach mit einer Supergeheimdienstbehörde in Washington betraut zu werden. Von Tegucigalpa aus überwachte er persönlich die terroristischen Operationen, die gegen die sandinistische Regierung in Nicaragua ausgeführt wurden, und förderte die Schaffung einer Todesschwadron, besser bekannt als Bataillon 316, die Hunderte von Menschen in Honduras entführte, folterte und tötete. In seinen offiziellen Berichten für Washington stritt er Menschenrechtsverletzungen in Honduras jedoch ab. Selbst die Presse in den USA informierte darüber, dass Negroponte zwischen 1981 und 1985 mit dem Waffen- und Drogenhandel verquickt war, um Todesschwadronen zu bewaffnen. Die Streitkräfte aus dieser Zeit sind es, die heute Zelaya absetzten. Aber das Kräfteverhältnis in Honduras selbst und auf internationaler Ebene scheint zur Zeit eher zu ihrem Nachteil zu sein.

Atilio A. Borón ist Direktor des Lateinamerikanischen Fernstudien-Programms für Sozialwissenschaften in Buenos Aires. Quelle: Servicio Informativo „ALAI-amlatina“, 28. Juni 2009. • Übersetzung: Bettina Reis