ila

Bedroht und begehrt

Biodiversität im Petén

Schön klingen die Worte und bedrohlich ist das Szenario: Der „Corredor Biológico Mesoamericano“ (CBM) soll erhalten werden. In dem grünen Gürtel, der sich von Oaxaca (Südmexico) bis Panama hinzieht, tummeln sich etwa 17 Prozent aller auf dem Land lebenden Tier- und Pflanzenarten. Allein das Maya-Biosphärenreservat beherbergt 400 Baum- und über 3000 Pflanzenarten. Die Weltbank – und die transnationalen Verwerter, die sie vertritt – alarmiert die Tatsache, dass der Wald und mit ihm die biologische Vielfalt in atemberaubender Geschwindigkeit verloren geht. In der nördlichen Hälfte des CBM gibt es einen Waldverlust von jährlich 400 000 ha. Bei Fortsetzung dieses Tempos wird der Wald in dieser Region bis 2015 verschwunden sein. Um dieser dramatischen Entwicklung Einhalt zu gebieten, haben die Planer des „Critical Ecosystem Partnership Fund“ (CEPF) ein Dringlichkeitsprogramm zur Rettung der Biodiversität der Region aufgelegt. Allein, das Engagement hat einen Haken.

Klaus Pedersen

Der Waldverlust wird in den CEPF-Projekten korrekt beschrieben, aber auf seine Ursachen geht man dort nur halbherzig ein. So klagte 1998 die Interamerikanische Entwicklungsbank, dass das Maya-Biosphärenreservat, dessen Fläche etwa der Schleswig-Holsteins entspricht, um jährlich fünf Prozent schrumpfe. „Nachdem die ehemaligen Kämpfer (der URNG) ihre Waffen gegen Pflugscharen eingetauscht haben, müssen sie Land finden, um ihre Familien zu ernähren“, beschreibt R. Hamilton mit poetischen Worten die verzweifelte Situation der Ex-KämpferInnen.1 Ob man diese simplifizierend- romantische Darstellung akzeptiert oder nicht – Fakt ist, dass der Druck auf die biologische Vielfalt im Petén auch (aber nicht nur) aus dem jährlichen zuwanderungsbedingten Bevölkerungszuwachs von neun Prozent resultiert. Die Ursachen dieser Entwicklung – die extrem ungerechte Landverteilung (in Guatemala kontrollieren weniger als zwei Prozent der Bevölkerung 70 Prozent des bebaubaren Landes) – werden in den Projekten der Geldgeber verschwiegen. 

Der CEPF wird von Weltbank, Conservation International (CI) – einer US-NGO, die „Naturschutz“ im Interesse der großen Konzerne betreibt – der Global Environmental Facility, der japanischen Regierung und der MacArthur Foundation finanziert. Für das Dringlichkeitsprogramm ist der Grüngürtel in sog. Unterkorridore eingeteilt worden, einer davon ist der „Selva Maya Korridor“ mit der Selva Lacandona (Chiapas, Mexico), dem Maya-Biosphärenreservat (Petén, Guatemala) und anderen Gebieten. Institutionen wie die deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind an den Rettungsbemühungen ebenfalls beteiligt, u.a. mit dem Petén-Projekt PROSELVA (Laufzeit 1987-2004, Umfang 19,1 Mio. Euro) und einem Projekt zur Konsolidierung des CBM (Laufzeit 1997-2006, Umfang 15,1 Mio. Euro).

Was sind nun die seligmachenden Konzepte der mächtigen Institutionen, mit denen die Regenwälder unter Umgehung umfassender Landreformen gerettet werden sollen? „Entwicklungszusammenarbeit“ lautet der euphemistische Begriff und dient der Verbrämung ihres ökonomischen Diktats. „Der Petén als eine Quelle biologischer Reichtümer (hat) das ökonomische Potenzial, sich seinen Schutz selbst zu erkaufen“, lautet eine der Formeln. Deutlicher kann man die Absicht zur Inwertsetzung der biologischen Vielfalt kaum ausdrücken. Das prinzipielle Ziel ist die Einbindung von Teilen der Bevölkerung, die von Subsistenz- wirtschaft lebt, in die Marktökonomie bei gleichzeitigem Erhalt und langfristiger Kommerzialisierung der Biodiversität. Diese Zielsetzung wird in den öffentlich zugänglichen Dokumenten nicht ausgesprochen. Sie schimmert aber durch, wenn sich die Akteure des CEPF beschweren: „Hindernis für die ökonomische Entwicklung in der Region ist bis zum heutigen Tag die zapatistische Bewegung in Südmexico.“2 Die Erfahrung lehrt, dass nur ein kleiner Teil der lokalen Bevölkerung marktwirtschaftlich eingebunden werden wird. Diese Menschen bekommen Gelegenheit, ihre Arbeitskraft bei Umweltdienstleistungen zu verkaufen, entweder temporär bei Wiederaufforstungs- und Bioprospektionsprogrammen oder permanent als Bewacher von Biosphärenreservaten bzw. als Lakaien im Tourismusgeschäft. Dieser glückliche, weil „auserwählte“ und zugleich anpassungswillige Teil der Bevölkerung ist gemeint, wenn in den Projekt- beschreibungen von nachhaltiger, umweltverträglicher Entwicklung die Rede ist. Der größere Teil der lokalen Bevölkerung jedoch stört und sollte am besten verschwinden. Er wird in die Maquiladoras (Lohnveredelungsbetriebe) im Rahmen des Plan Puebla Panamá abgeschoben oder in die Slums der großen Städte entsorgt. Sowohl die UmweltdienstleisterInnen als auch jene, die in den Maquiladoras schuften, hat man erfolgreich der Subsistenzwirtschaft entrissen und in Lohnarbeitsverhältnisse eingespannt, im Dienste der Ausweitung der „ursprünglichen Akkumulation“ des Kapitals und zur Schaffung von Mehrwert.

Neben der Einbindung eines Teils der lokalen Bevölkerung in die Marktwirtschaft geht es bei den CBM-Projekten aber auch darum, Konflikte zwischen den Verwertungsinteressen unterschiedlicher Kapitalgruppen auszubalancieren. So sehen es auch Brand und Görg3, die eine Einschätzung zitieren, wonach der CBM und der Wirtschafts-Plan Puebla Panamá komplementär zueinander sind. Ein Beispiel für solche Balanceakte ist der sogenannte Ökotourismus. Inzwischen dürfte fast jedeR mitbekommen haben, dass es dabei nicht darum geht, den Urlaub auf besonders umweltschonende Weise zu verbringen, sondern darum, Natur zu vermarkten. Der Ökotourismus braucht also für sein Geschäft jene Natur, die er selbst zerstört. Das mit einem Image der Nachhaltigkeit versehene Tourismusprojekt Mundo Maya (siehe Artikel in dieser Ausgabe) wurde 1998 gestartet und von der Interamerikanischen Entwicklungsbank mit 1,9 Mio. US-Dollar gefördert. Inzwischen wird Mundo Maya sogar vom CEPF als umweltzerstörerisch eingestuft, und nicht nur wegen der für die Touristen gebauten Straßen, durch die sich der Siedlungsdruck weiter erhöhte. Es wird auch bemängelt, dass „die Besucherzahlen von Tikal bis Uaxactún die Tragfähigkeit der fragilen Ökosysteme überschreiten“.4 Das soll nun irgendwie durch CEPF-Projekte korrigiert werden. 

Ein weiteres Konfliktfeld im Petén sind Erdöl-Prospektion und -förderung, in erster Linie durch die Firma Basic Resources. Der amerikanische Konzern betreibt 32 Bohrlöcher (Förderung: 26 000 Barrel/Tag) in der Laguna del Tigre, der Kernzone des Maya Biosphärenreservats. Außerdem hat das Unternehmen eine oberirdische und somit umweltgefährdende Pipeline von 120 km Länge quer durch das Naturschutzgebiet verlegt. Dem CEPF geht es aber offensichtlich nicht um die zerstörerischen Folgen des Erdölgeschäfts für die lokale Bevölkerung. Denn dann hätte das CEPF-Mitglied Conservation International (CI) am 15. Februar 2000 die Gelegenheit beim Schopfe packen können, jene 5500 Campesinos zu unterstützen, die ein Gebäude von Basic Resources besetzten und von dem Ölkonzern die Wiederaufforstung der zerstörten Flächen mit 10 Mio. Bäumen forderten. Der finanzstärksten Naturschutz-NGO der Welt (CIs Jahresvermögen belief sich 2002 auf 292 Mio US-$), die auch Kooperationspartner der GTZ ist, geht es wohl mehr um die Eindämmung des geschäftsschädigenden Verlusts an Biodiversität für die Pharmaindustrie. Aber selbst hier spielt CI eine zweifelhafte Rolle: In einer im Dezember 2003 veröffentlichten Analyse bescheinigt C. Ruiz-Marrero der CI eine „vertrauliche Beziehung zur US-Regierung und zu den Ölfirmen, die ernsthafte Fragen aufwirft.“5 Die Dubiosität gipfelt in der „Energy and Biodiversity Initiative“ (www.theebi.org), wo sich „namhafte“ Naturschutz-NGOs, unter ihnen CI, The Nature Conservacy und der IUCN, mit einigen der größten Ölkonzerne der Welt zusammentaten. Folgerichtig wurde CI von CAPISE, dem chiapanekischen Zentrum für politische Analyse, soziale und ökonomische Forschung, als Trojanisches Pferd bezeichnet, was auf CIs Rolle im Petén sicher genauso zutrifft wie für die Selva Lacandona in Chiapas. In der Tat ertappte der puertoricanischen Biologe Fernández-Porto die Mitarbeiter des trojanischen Pferdes auf frischer Tat, als sie im Petén dabei waren ihr biologisches Wissen der Ölindustrie zur Verfügung zu stellen – anhand von Satellitenfotos wurde die Vegetationsdecke analysiert, um auf Erdöllagerstätten zu schließen.

Liest man die Projektbeschreibungen von CEPF und GTZ, so geht es stets um die diffuse Absicht, „nachhaltiges Wirtschaften“ zu fördern, wozu Ökotourismus und Emissionshandel gezählt werden, aber auch um Bioprospektionsprogramme. In einem „Aprendices de Chamanes“ genannten Projekt arbeitete CI mit den Großunternehmen Bristol-Myers Sqibb (Pharma) und Pulsar (Biotechnologie) zusammen. Ferner geht es um das „Management“, sprich, die Bewachung der Biosphärenreservate. In der Projektkurzbeschreibung des KfW-finanzierten PROSELVA-Projekts ist von Demarkierung die Rede und davon, „den Zustrom von Siedlern zu ordnen“, aber nicht davon, die illegalen Aktivitäten von Basic Resources zu unterbinden. Darüber hinaus genießt die Schaffung privater Naturschutzgebiete große Popularität. In Guatemala wurden allein im Jahr 2001 ca. 12 000 ha Fläche von 31 privaten Reservaten registriert.

Bleibt abschließend die Frage, welcher Sinn sich aus diesem Sammelsurium an Maßnahmen ergibt, die teils Biodiversität-erhaltend (und sozial zerstörerisch) und teils Biodiversität-zerstörend (und ebenfalls sozial zerstörerisch) sind und an denen sich GTZ und KfW mit beachtlichen Millionensummen beteiligen. Die einzig rationale Antwort darauf scheint zu sein, dass mit diesen Mitteln versucht wird, einander widersprechende Kapitalinteressen zu befriedigen und zugleich dem übergeordneten Ziel zu dienen, subsistenzwirtschaftlich lebende Bevölkerungsteile in die Marktökonomie zu zwingen.